Linus ist nun 5 Monate und 5 Tage alt.
Und mein Kopf fährt Karussell, weil ich gerade gar nicht weiß, wo ich mit Erzählen anfangen soll…
Mein erster Impuls ist es, weiter zu seufzen und zu jammern, wie schwer die Erziehung eines zukünftigen PTBS-Assistenzhundes doch für Betroffene ist (wohlwissend, dass ich damit generalisiere). Aber natürlich habe ich in langen Jahren der therapeutischen Selbsterkundung das ein oder andere gelernt und daher schiebe ich diesen Impuls für einen Moment beiseite (was mir gerade sogar recht leicht fällt!) und versuche zu beschreiben, was sich alles zum Positiveren verändert hat.
Linus hat sich zu einem – für mich – wunderhübschen Hund mit 20 kg und knapp 50 cm Schulterhöhe gemausert.
Ich liebe sein Fell, das immer noch wuschelig weiterwächst und sehr wenig haart (was für ein Glück!).
Ich liebe seine bereits deutlich kräftig-sportlichen, manchmal aber noch herrlich tapsig-welpenartigen Bewegungen.
Ich liebe sein deutlich erkennbares Urvertrauen, das ihn auf Menschen und Hunde freundlich (manchmal ein wenig stürmisch) und ohne eine Spur von Aggression oder Dominanzgehabe zugehen lässt.
Ich liebe den Blick seiner sanften braunen Augen, der unglaublich ausdrucksstark ist und Nuancen zwischen „die Teufelchen blitzen heraus“ und „ich möchte dich gerne verstehen, was ist los?“ wiedergeben können.
Ich liebe es, wenn er sich mit einem schweinchenartigen Grunzen auf meine Beine plumpsen lässt, um sich durchkraulen zu lassen.
Diese schöne Aufstellung mache ich mir nun nicht kaputt, indem ich aufzähle, was ich alles nicht im Zusammenleben mit Linus mag oder was mich nach wie vor an meine psychischen Grenzen stoßen lässt. Kurz zusammengefasst kann ich resümieren, dass Vieles schwieriger geworden ist, gerade durch den Eintritt in die Pubertät (er pendelt zwischen „ich bin ein süßer kleiner Welpe, merkst du das nicht?“ und „mit so viel Testosteron bin ich doch echt schon erwachsen, merkst du das nicht?“) und den damit verbundenen Verhaltensweisen. Ich merke jedoch auch, dass wir ihm vertrauter geworden sind und er bei uns, in Haus und Garten und in wiederkehrenden Alltagsabläufen einen sicheren Rahmen sieht.
Und um diese Dinge beneide ich Linus manchmal glühend.
Wenn er freudig schwanzwedelnd auf irgendwelche fremden Männer zuläuft, denen wir im Wald begegnen – was für ein generalisiertes Vertrauen! Mir geht schon mit Abstand die Muffe…
Wenn er Abläufe als sicheren Rahmen erkennen kann, ohne in Frage zu stellen, ob das immer so weiter geht. Ich habe bei Strukturen, die mir Halt geben, immer die Angst, dass sie jeden Moment wegfallen…
Vielleicht kann ich ja später ein bisschen von Linus lernen…